Montag, November 14, 2005

Die Grippe und das weite Feld der Statistik (Teil 2)

Ich habe weiter unten schon auf das Problem der ungenauen Zahl der Grippetoten hingewiesen. Doch das Thema hat mich einfach nicht ruhig schlafen lassen. Anscheinend sterben seit dem Ende der neunziger Jahre zwanzig bis vierzig mal mehr Leute am angeblich heimtückischen Influenzavirus.

Ich habe mich gefragt, woher eigentlich diese Zahlen stammen und bin nach ein wenig Suchen direkt auf den Seiten des AGI gelandet. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza beschreibt sich auf ihrer Seite so:
"Die AGI ist ein System zur Überwachung der Influenza in Deutschland, durchgeführt vom Robert Koch-Institut, Berlin (Federführung), dem Deutschen Grünen Kreuz, Marburg und dem Nationalen Referenzzentrum für Influenza, Berlin Ärzte, die sich beim Internetprogramm der AGI angemeldet haben, können hier ihre Onlinemeldung abgeben. Die Arbeit der AGI wird von 4 pharmazeutischen Herstellern von Influenza-Impfstoffen finanziell unterstützt [Hervorhebung durch den Blogger]. Das Robert Koch-Institut selbst erhält keine finanzielle Unterstützung und wird ausschließlich vom Bund getragen. Ein 9-köpfiger Beirat berät die AGI in wissenschaftlichen Fragen."
Wenn ich das richtig interpretiere, dann handelt es sich bei dieser Arbeitsgemeinschaft um eine Plattform zur statistischen Erfassung der Bedrohung durch Influenza, die durch die Hersteller von Impfstoffen finanziert wird. Dazu kann sich der geneigte Leser selber ein Bild machen.

Besonders interessant und verwirrender werden die angeblich erschreckenden Zahlen, wenn man sie sich genauer anschaut. Auf den Seiten des AGI kann man sich einen sog. Saisonbericht herunterladen. Das habe ich mal für das Jahr 2004 gemacht und mich auf die Suche nach den Grippetoten gemacht. Folgendes fand ich in der PDF-Datei:
"Influenzaassoziierte Todesfallschätzungen und damit Vergleiche mit anderen Saisons werden normalerweise mit Hilfe der Mortalitätsdaten des statistischen Bundesamtes ermöglicht. Die endgültigen Ergebnisse der Todesursachenstatistik liegen bisher noch nicht vor [Hervorhebung durch den Blogger]. Die Altersgruppe mit der höchsten Influenzaassoziierten Letalität sind die über 65-Jährigen. Da auch die ältere Bevölkerung in der Saison 2004/05 von der Erkrankungswelle erfasst wurde – obwohl nicht in dem Ausmaß wie die jüngeren Altersgruppen – erscheint eine Erhöhung der Gesamtmortalität in den Monaten Februar, März und April wahrscheinlich, auch im Hinblick auf die hohen Hospitalisierungszahlen bei den über 60-Jährigen (8.000 bis 15.000)."
Jetzt lernen wir also, wie sich die Zahlen ergeben. Man nehme sich die Mortalitätsdaten vom statistischen Bundesamt und schätze daraus eine Zahl, die dann überall als Referenz angesehen wird und wie ein Schreckgespenst durch die Presse geistert. Das ist ja geradezu lächerlich und gefährlich! Besonders interessant ist, dass die alten Menschen für diese Statistik herhalten müssen. Die lassen sich da halt besonders gut mit einbeziehen. Auch wenn diese Menschen gar nicht wirklich an der Grippe gestorben sind, sondern an Altersschwäche.

In diesem Dokument folgt sogar eine Tabelle aus der ich mal einen Auszug präsentieren möchte:

Influenzasaison / Übersterblichkeit
1995/96 etwa 32.000
1996/97 etwa 7.000
1997/98 etwa 6.000
1998/99 etwa 20.000
1999/00 etwa 12.000
2000/01 etwa 7.000
2001/02 etwa 4.000
2002/03 etwa 17.000
2003/04 etwa 6.000

(Untertitel: Tab. 3: Übersterblichkeit während der Influenzawellen 1995/
96 bis 2003/04.)


In dieser Tabelle werden also pro Jahrgang die Übersterblichkeiten erfasst. Mit den Grippetoten haben diese Angaben aber auch nur indirekt etwas zu tun. Da spielen wohl noch eine ganze Reihe anderer Faktoren mit. Aber trotzdem ist es schlau die Zeiträume Influenzasaison zu nennen.

Ich frage mich nur noch: "wie kommt dann das statistische Bundesamt für die Jahre 1998 und 1999 auf folgende Zahlen?":
"Übrigens: Im Jahr 1998 erkrankten in Deutschland etwa 9 000 Menschen so schwer an Grippe, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten. 239 Personen starben 1998 an Grippe (1999: 364 Personen)."
Wenn also von 9000 Menschen, die wegen schwerer Influenza eingeliefert werden, 239 Personen an den folgen dieser Krankheit sterben entspricht das einem Prozentsatz von 2,65 Prozent. Würde man diese Rechnung eins zu eins auf die aktuellen Zahlen, die 3sat.online gerade vom AGI veröffentlicht (04.09.2003) hat, anwenden, ergeben sich bei 24.000 wegen schwerer Influenza eingelieferter Menschen eine Sterbezahl von 636 Grippetoten. Ich weiß, dass man das so einfach nicht rechnen kann. Da spielen natürlich noch mehr Faktoren mit. Aber die grobe Zahl sollte bei normalen Verhältnissen ohne Ausbruch einer Epedemie im grünen Bereich liegen.

Doch 3sat.online schreibt in seinem Artikel:
"Die ungewöhnlich starke Grippewelle des vergangenen Winters [anm. des Bloggers: also 2002] hat in Deutschland rund 16.000 Menschen das Leben gekostet. Damit lag die Zahl weit über dem Durchschnitt von 5000 bis 8000 Grippetoten pro Jahr, teilte das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin mit."
Aber wie kommt man ohne eine kleine Epedemie auf Zahlen von bis zu 16.000 Toten? Woher haben die Menschen bei der AGI diese Zahlen? Mal davon abgesehen, dass der Durchschnitt schon völlig aus der Luft gegriffen scheint, kann man diese Zahlen nur kritisch bewerten. Weiterhin wird in dem besagten Artikel auch wieder die ältere Bevölkerung ab 65 Jahren für die Zahlen herangezogen. Irgendwie muss man die Statistik ja passend machen können. Deswegen wird ja auch im Zusammenhang mit diesen Zahlen immer das Wort Schätzung benutzt.

Ich werde in den nächsten Tagen mal versuchen etwas Genaueres von der AGI direkt zu erfahren.

Man darf gespannt sein...

Nachtrag vom 14.11.2005:

Auch das RKI hat erkannt, dass diese Zahlenschieberei einen Widerspruch in sich darstellt und hat schnell eine Powerpointpräsentation (Wichtig! Datei die Endung ".ppt" anhängen. Sonst geht sie nicht.) nachgeschoben.

In dieser Datei erfahren wir das:
  • man auch Lungenentzündungen, Herz-Kreislauf-Erkrankunen etc. mit in die Statistik nehmen kann um die hohen Zahlen zu rechtfertigen
  • "Influenza als Todesursache selten ärztlich dokumentiert bzw. labordiagnostisch nachgewiesen" ist und somit nicht gerade als aussagekräftig zu werten ist
  • eigentlich nur alte Leute angeblich an den Folgen der Influenza (keine Details bis jetzt gefunden) daran sterben (aber auch nicht gerade viele im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung)
  • das alles nur auf Schätzungen und Annahmen basiert und keinen Wert hat
  • wir jetzt genauso schlau sind wie vorher
Danke liebes Robert-Koch-Institut!

Weiterer Nachtrag vom 15.11.2005:

Man teilte mir per E-Mail mit, dass es sich bei den Zahlen vom RKI (AGI) ja nur um Schätzungen handelt, die im voraus oder nachträglich erstellt werden. Das mag ja richtig sein und sollte hier nicht im Text untergehen.

Das Ändert aber nichts am Betrug, der über die Medien gesteuert wird. Warum werden die Berechnungen auf denen die Statistiken basieren nach knapp 10 Jahren nicht den tatsächlichen Zahlen angepasst. Wie kommt man nach so einer langen Zeit immer noch zu solch abweichenden Ergebnissen? Die Antwort ist einfach: "Weil alle bei uns abschreiben!"

Warum lässt das RKI solche Zahlen von der Presse falsch wiedergeben ohne eine Richtigstellung zu verlangen. Fast nirgendwo wird in der Presse erwähnt, dass es sich um eine Schätzung handelt. Man lese sich den o.g. Artikel bei 3sat.online durch und sehe, das dort alle Schätzungen als bare Münze übernommen worden sind. Man spricht dort von 16.000 Grippetoten. Und das ist ja genau das Ziel des RKI.

Oder man schaue z.B. in die seriöse Tageszeitung Die Welt und finde das hier:
"Stienen betont, daß die Vogelgrippe in Asien zwar zu 60 Todesfällen führte, es in Deutschland jährlich aber zwischen 7000 und 14 000 Grippetote gebe." (eben nicht!)
Besonders herrlich finde ich die Startseite von www.grippe-online.de. Dort heißt es:
"Wussten Sie schon ...
dass in der Grippe-Saison 2004/2005 alleine in Deutschland über 20.000 Todesopfer zu beklagen waren?"
Tut mir leid. Das wusste ich wirklich nicht. Weil es ja auch nicht stimmt! Lieber schlecht abschreiben, als selber recherchieren.

Nochmals Danke!

PS: Ich habe mir gerade auf den Seiten der "Gesundheitsberichterstattung des Bundes" alle Daten für die letzten Jahre angeschaut. Hier komme ich im Jahr 2003 wieder auf 300 Grippetote die sich aus 25 Grippetoten mit nachgewiesener Influenza und 275 Grippetoten mit nicht nachgewiesenen Influenzavirus zusammen setzen. Selbst diese Zahlen finde ich merkwürdig. Natürlich erhalte ich ein wunderbares Ergebnis, wenn ich alle Menschen mit der Todesursache Pneumonie hinzuzähle (21822 Tote). Deshalb steht in der Statistik ja auch "Grippe und Pneumonie". Das soll wohl die schwammige Berechnung (Schätzung) rechtfertigen. Diese Statistiken sind einfach nicht brauchbar um daraus ein Risiko oder Bedrohungsszenario abzuleiten!

Weitere Ergänzung zum Thema Pneumonie (Lungenentzündung):

Wer sich einmal durchliest, was alles zu einer Pneumonie führen kann, der kann nur noch an der Statistik des RKI zweifeln. Einfach mal nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Pneumonie. Dann wird man auch ohne medizinisches Fachwissen feststellen, dass ein Virus nur eine von vielen Ursachen ist. Wie kommen die schlauen RKI/AGI-Meschen denn nun auf solch astronomische Zahlen? Und das wo sie auch noch in ihrer Präsentation selber folgendes schreiben: "Influenza als Todesursache selten ärztlich dokumentiert bzw. labordiagnostisch nachgewiesen".

Woher kommen die Zahlen?

Das versuchen wir jetzt mal zu klären und schauen mal auf die Seiten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wo alle Statistiken für jedermann zugänglich sind. Dort ruft man sich eine Tabelle der Grippe-Sterbefälle ab und erhält folgende Werte:


2004
Grippe und Pneumonie (J10-J18) 19.094
J11 Grippe, Viren nicht nachgewiesen 116
J10 Grippe durch nachgewiesene Influenzaviren 9


Und? Fällt dem Leser etwas auf? Das RKI schreibt in seinem Influenzasaisonbericht 2004/05 folgendes:
"Die geschätzte Zahl von Todesfällen, die mit Influenza in Zusammenhang stehen, beträgt 15.000 bis 20.000."

Ich bedanke mich nochmals beim RKI für die schwache Leistung. Morgen werde ich auch Statistiken in Umlauf bringen und beweisen, dass "1 + 1 = 33,33" ist. Ich lasse mir auf jeden Fall nicht erzählen, dass fast jeder wegen Pneumonie gestorbene ein Grippetoter ist. Das ist einfach lächerlich!

Übrigens:

Auch die Leute der Website Impfkritik.de haben den Schwindel erkannt und schreiben in Ihrem PDF zum Thema: "Grippe-Impfung (Influenza) - 7 Kritikpunkte":
"Die echte Influenza ist im Todesfall meldepflichtig. Jedes Jahr werden einige wenige 100 Fälle gemeldet. Für die Presseinformation werden jedoch z.B. auch bakterielle Lungenentzündungen als mögliche Folgekrankheiten einer Influenza als "Grippetote" gezählt, so dass jedes Jahr unseriöse Todesfallzahlen (bis zu 20.000) "berichtet" werden können."

7 Comments:

Anonymous Anonym said...

Thema Pneumonie: Du sagst es ist zweifelhaft diese Todesfälle mit Grippe in Verbindung zu setzen, dass Problem ist, dass Leute die an der Grippe sterben in der Regel eine schwere Lungenentzündung entwickeln und eben daran sterben. Vielleicht kann man dass ein wenig mit AIDS vergleichen, die leute sterben auch nicht direkt am HIV Virus, sondern an der Immunschwäche, dennoch ist die Todesursache AIDS.

5:27 PM  
Anonymous Anonym said...

Danke für die Ergänzung. Denn Ihr Kommentar beschreibt trefflich das Dilemma.
Es sind nur hochgerechnete Zahlen. Reine Statistik. Mehr nicht. Daher kann man nicht genau sagen, wie gefährlich dieses Phänomen Grippe wirklich ist. Daher halte ich es auch für gefährlich, mich solchen errechneten Zahlen den Menschen Angst zu machen. Fakten sind das nicht. Wohl eher Verkaufsargumente.

3:11 PM  
Blogger Unknown said...

Wenn die Menschen "durch Grippe an Lungenentzündung sterben", sollte man dann nicht trotzdem den Grippevirus nachweisen (können)?
Um diese Statistik so hinbiegen zu können, sollte doch zumindest eine medizinische Studie den Zusammenhang von Grippe mit folgender Lungenentzündung und Tod in der breiten Bevölkerung (bzw. in den verscheidenen Altersgruppen) nachweisen. Erst dann kann man mit relativer Sicherheit/Wahrscheinlichkeit von einer Lungenentzündung auf eine mögliche Grippe als Ursache schliessen.

10:38 AM  
Blogger robvisual said...

Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

7:57 AM  
Anonymous Anonym said...

Danke Oliver. Genau darum geht es mir. Es gibt zu viele Forschungsergebnisse usw. auf der einen Seite. Auf der Gegenseite wird kaum geforscht. Es wird dabei viel zu oft rein gewinnorientiert vorgegangen. Dieses Ungleichgewicht muss angegangen werden.

7:59 AM  
Anonymous Frank said...

Interessanter Beitrag. gibt es denn aktuelle Zahlen zu den Grippetoten weltweit inkl. der "neuen Mode-"Grippen?

3:22 PM  
Anonymous Anonym said...

Sehr gut recherierter Bericht,

prima gemacht. Nur die Zeit, welche Sie aufwandten für diesen Artikel,haben leider nicht die freien Journalisten. Diese schreiben dann einfach nur schnell ab für Ihre 120 EURO brutto je Artikel. Natürlich weiß das auch das RKI. Gibt es eigentlich Zahlen zu Grippetoten und Lungenentzündungstoten bevor der ganze Impfwahnsinn in den neunzigern begann? Dies ist doch die viel intressantere Frage. Hat sich irgendwas an der Volksgesundheit und den Sterbefällen geändert, seit dem wir Milliarden Euros der Pharmerindustrie zuschieben?
MfG KUB

2:15 PM  

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