Freitag, November 18, 2005

Viele Ärzte betrügen?

...das behaupten nur böse Zungen. Eine Diffamierung sondergleichen. Wirklich?

Ein Toter hat z.B. noch eine ganze Zeit lang seinen Arzt besucht? Wie soll das denn gehen? Sind wir hier in einem Zombiefilm? Leider nicht.

Die Sendung Plusminus berichtete am 5.Juli 2005 im hessischen Rundfunk unter dem Thema
"Abrechnungsbetrug Wie sich Ärzte an lebenden und toten Patienten bereichern" über einen besonders dreisen Fall von Abrechnungsbetrug.

Auf der Website schreibt man zur Sendung:
"Der Tote ging regelmäßig zum Arzt Insgesamt sieben Quartale hintereinander soll der tote Karl Huhn noch seinen Arzt gesehen haben. "Unsereins wird gesagt, wir würden viel zu viel Geld verbrauchen, wir würden zu teure Medikamente nehmen, und die Ärzte bedienen sich an jemand, der gestorben ist", ärgert sich Helga Huhn. Der Doktor bediente sich reichlich. Gleich bei zehn Patienten rechnete er insgesamt 43 Mal die Quartalsgebühr inklusive Laborpauschale ab. Alle waren längst unter der Erde, teils schon mehrere Jahre."
"Ermittlungen bei jedem vierten Arzt In der verdächtigen Praxis wird damit die Festplatte des Arztrechners komplett kopiert. Neun Sachverständige, das sind ehemalige Arzthelferinnen mit Zusatzausbildung, zwölf Kriminalbeamte und ein Staatsanwalt werten die Daten aus. Mit großem Erfolg und einem erschreckenden Ergebnis. Gegen jeden vierten niedergelassenen Arzt in Hessen wurde oder wird ermittelt, jeder fünfte bleibt verdächtig."
Haben sich die Leute von Plusminus wirklich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Ich habe mich natürlich gleich mal auf die Suche nach den Zahlen gemacht und bin zuerst auf diverse Seiten von Ärzteschaft, Vereinen usw. gestoßen. Dort wird immer wieder von schlechter Berichterstattung und Diffamierung gesprochen.

Wenn aber eine Behörde für solche Delikte zuständig ist, dann doch wohl das BKA. Wer sonst? Immerhin geht es hier um Wirtschaftskriminaliät. Und auf den Seiten des BKA bin ich dann auch gleich fündig geworden. Im Jahresbericht Wirtschaftskriminalität 2002 heißt es z.B.:
"Die Gründe für die gleichwohl zu vermutende hohe Dunkelziffer liegen in einem weitgehend unkontrollierten Abrechnungssystem, in dem vor allem im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen für die betroffenen Patienten keine Möglichkeit besteht, die ärztlichen Liquidationen mit den tatsächlich erbrachten Leistungen abzugleichen. Die Krankenkassen erstatten oft aus Kostengründen ohne Nachprüfung die eingereichten Honorarforderungen. Auch das Anzeigeverhalten in diesem Deliktsfeld ist gering ausgeprägt. Die Interpretation der Zuordnung von Fällen des Abrechnungsbetruges in der PKS zur Sonderkennung "WiKri" ist fragwürdig. So erreichen die in der Gesamttabelle der PKS 2002 aufgeführten Fallzahlen im Abrechnungsbetrug z. B. eine Gesamtsumme von 12.407 vollendeten Fällen (2001: 4.586), während davon nur 3.238 (2001: 883 Fälle) als Wirtschaftskriminalität gekennzeichnet werden."

"Auf Grund der geschilderten Problematik gibt auch die in der nachfolgenden Grafik dargestellte Schadensentwicklung auf mehr als 25 Mio. Euro nur eine Tendenz, jedoch kein Spiegelbild der Realität wieder."

"Analog zu den Fallzahlen ist nur ein kleiner Teil der Schadenssummen im Abrechnungsbetrug insgesamt als Wirtschaftskriminalität erfasst. Der Gesamtschaden beläuft sich im Berichtsjahr auf über 59 Millionen Euro (2001: rund 19 Millionen Euro)."
[Hervorhebungen vom Blogger]
Warum gehen die Ärzte eigentlich mehrheitlich auf die Straße? Eigentlich sollten wir mit Transparenten durch die Straße ziehen und gegen die Verschwendung unserer Gelder durch ein nicht funktionierendes Gesundheitssystem protestieren! Von einem Interesse an Transparenz kann auf jeden Fall nicht die Rede sein. So kann und wird kein Vertrauen entstehen!