Montag, November 28, 2005

Deckung Frau Schmidt!

Im aktuellen Editorial (47/2005) der pharmazeutischen Zeitung macht der sich der Autor (Herr Rücker) mal so richtig Luft. Die Gesundheitsreform von Frau Schmidt ist den guten Leuten einfach ein Dorn im Auge. Diese blöde Angleichung der Beiträge von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen. Diese blöde Solidarität. Wozu brauchen wir die. Hat doch die letzt Jahre alles so wunderbar auf Kosten der Bevölkerung funktioniert.

Ich glaube nicht, dass Frau Schmidt im ersten Schritt hofft, gleich den kompletten Finanzhaushalt im Gesundheitswesen sanieren zu können. Doch im o.g. Editorial heißt es:
"Mehr als zweifelhaft ist allerdings, dass sich so die GKV-Finanzen sanieren lassen. Wenn alle in Deutschland lebenden Menschen GKV-versichert wären, dann gäbe es zwar mehr Einzahler, aber auch mehr Leistungsempfänger. Die Probleme löst dies nicht. Im Gegenteil: Die Überführung der PKV in eine Bürgerversicherung würde das Problem nur noch vergrößern. Die Koppelung von Sozialbeiträgen an die Löhne würde ausgeweitet. Ökonomen sehen gerade hierin ein zentrales Problem für die deutsche Wirtschaft."
Alle Probleme wird es bestimmt nicht lösen. Gerechter ist diese Lösung in einer Solidargemeinschaft aber trotzdem allemal. Wer das nicht will, der kann ja außer Landes ziehen. Auch frage ich mich, welche Ökonomen dieses Problem sehen? Leider fehlt es bei fast allen Artikeln dieser Art an Quellenangaben anhand derer man das Gesagte überprüfen kann. So bleibt nur festzuhalten, dass irgendein Ökonom irgendetwas denkt, meint oder sieht oder gesagt hat. Sehr dünn Herr Rücker.
"Natürlich lässt sich nicht bestreiten, dass PKV-Versicherte im Durchschnitt wohlhabender als GKV-Versicherte sind. Sie würden das Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben in der GKV verbessern. Aber nicht einmal zehn Prozent der Deutschen sind privat versichert. Für eine grundlegende Sanierung der GKV sind dies viel zu wenige. Der Effekt wäre gering. "

Hier wird natürlich mal wieder etwas untertrieben. Wenn man sich folgendes PDF auf den Seiten der Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. anschaut, dann findet man dort detailliertere Zahlen und erfährt, dass es auf jeden Fall zehn Prozent sind:
"Damit haben 10,01 Prozent der Bevölkerung eine private Vollversicherung. Die Zahl der versicherten Personen ist im Jahr 2004 um 149.000 Personen angestiegen (Nettozuwachs). Das ist ein Anstieg um 1,84 Prozent."
Bei solch einem guten Wachstum sieht es in den nächsten Jahren auch nicht schlechter für die private Krankenversicherung aus. Nach dieser Rechnung wäre also jeder zehnte Patient beim Arzt privat versichert. Tendenz steigend. Es geht ja hier auch um einen Trend, einer dem Sozialstaat kontraproduktiv entgegenwirkenden Abwanderung von Versicherten zu den Privaten. Gerade deshalb muss man sich Gedanken um eine Finanzierung machen.
"Stattdessen spielt Schmidt die Neidkarte und behauptet, GKV-Versicherte würden schlechter behandelt als PKV-Versicherte. Auch wenn die Ärzte diesen Vorwurf vehement zurückweisen, ist er natürlich nicht ganz falsch. Falsch ist aber, dass gesetzlich Versicherte mehrere Wochen auf eine dringend notwendige Untersuchung warten müssen, weil so viele Privatversicherte die ganze Aufmerksamkeit der Ärzte für sich in Anspruch nehmen. Auch dafür ist die Anzahl der PKV-Versicherten zu gering."
Und es geht fröhlich weiter mit Polemik. Ich würde Frau Schmidt zu gerne mal nach der besagten Neidkarte fragen. Ob sie diese lustige Karte im Schreibtisch - für alle Fälle - aufbewahrt? Leider ist an der Aussage, dass privat Versicherte besser behandelt werden, etwas dran. Und wenn jeder zehnte Patient ein privat versicherter ist, dann kann es schon zu Stauungen kommen.

PS: Eine Mitgliedschaft in der privaten Krankenversicherung hat aber nicht nur Vorteile. Oft wird man sogar im negativen Sinne viel zu gut behandelt. Denn hier ist ja auch mehr Geld zu holen.

Hierzu eine kleine Anekdote:

Meine Frau ist mit mir morgens in der Frühe ins Krankenhaus gefahren um sich wegen peinigender Unterleibsschmerzen untersuchen zu lassen. Nach einer wirklich merkwürdigen und unprofessionellen Untersuchung die kein konkretes Ergebnis brachte, wollte man meine Frau gegen ihren Willen im Krankenhaus behalten. Sie sagte, dass sie keine Schmerzen mehr hat und es sich wohl nur um eine Luftansammlung im Darmbereich gehandelt hat. Doch die Ärzte der Klinik fingen an ihr ein gutes Einzelzimmer mit Fernseher schmackhaft zu machen und schreckten auch nicht davor zurück meiner Frau Angst zu machen. Nachdem wir wehement darauf bestanden haben zu gehen, mussten wir noch ein Dokument unterschreiben und die Sache war erledigt. Meine Frau regte sich fürchterlich über die Behandlung auf. Ihr war aufgefallen, dass gleich drei Ärzte sich um sie gekümmert haben nachdem sie gesagt hatte, das sie privat versichert sei. Ob die auch so viel Aufwand getrieben hätten wenn sie gesetzlich versichert gewesen wäre?

Nachtrag vom 30.11.2005:

Da dieses Thema ein wirklicher Dauerbrenner ist, beschäftigt sich das Editorial der aktuellen Ausgabe der pharmazeutischen Zeitung - oh Wunder - wieder mit dem selben Thema. Unter dem Titel "mehr Geld" wird wieder einmal polemisiert und angeprangert:
"Die Ärzte haben sich am Montag in Berlin schwer getan mit ihrer Demonstration. Sie haben sich bei ihren Patienten entschuldigt. Die Politik entschuldigt sich nicht. Stattdessen sitzen ihre Protagonisten wieder in den Talkshows, schwatzen und verkünden."
Böse Politik! Die da oben machen ja eh was sie wollen. Der arme Patient. Doch leider vermißt man auch in diesem Editorial einen Verweis auf wegweisende Ansätze oder Fakten, die die Schwächen und Fehler der Reform aufzeigen. In diesem Editorial wird sogar zugegeben, dass die schlechten Arbeitsumstände in den Kliniken nach all den Jahren kaum erforscht sind. Und daher endet dieser Text wie folgt:
"Denn, auch wenn die Statistik fehlt: Am Ende trifft es den Patienten."
Das bedeutet also: "Auch wenn wir nichts in der Hand haben und nicht besser sind als die Politiker, so regen wir uns trotzdem auf und sind dagegen!". Konstruktive Kritik bitte oder sitzen bleiben uns Hausaufgaben machen.