Montag, November 07, 2005

Zauberfrüchte im Reich der Wissenschaft

Quelle: Fragwürdige Zauberfrucht aus der Südsee -

http://www.pharmazeutische-zeitung.de/pza/2001-40/pharm5.htm

Wenn eine Industrie am Horizont etwas erblickt, was ihr evtl. einen nicht ganz unbeträchtlichen Teil ihrer Kunden abspenstig machen könnte, dann wird eine gute PR-Abteilung mobil gemacht. Im Thinktank wird dann genau überlegt, wie man es schafft ein Produkt der Konkurrenz in einem schlechteren Licht darzustellen. Daran ist eigentlich nichts verwerflich. Wenn es hier nicht um eine Industrie ginge, die dem Wohle einer ganzen Bevölerung dient (oder besser gesagt, dienen sollte!). Wenn sie ein Liveexperiment wünschen, dann fragen sie doch einfach mal den Kabelbetreiber Kabel Deutschland warum sie sich nicht DVB-T statt des Teueren Kabelfernsehens in Haus holen sollen. Sie werden es erleben ;-)

Die Pharmazeutische Zeitung scheint auf jeden Fall nicht das seriöse Blatt, welches es vorgibt, zu sein. Man sollte annehmen das man eine Frucht und die daraus gewonnen Produkte nur dann negativ bewerten kann, wenn es genug Wissenschaftliche Ergebnisse gibt. Das hat das angebliche Fachblatt aber nicht nötig. Es publiziert lieber einen Artikel voller widersprüche.

Wer sich den Text genau durchliest, wird an folgenden Passagen hängenbleiben:

  • Da wäre zuerst der Titel "Fragwürdige Zauberfrucht aus der Südsee". Warum fragwürdig? Auch das Wort Zauberfrucht ist nicht sehr gut gewählt. Sie ist nach Aussage dieses Artikels nur nicht richtig klinisch erprobt und getestet worden. Warum sollte man diese Fruch also ohne genaue Prüfung als Fragwürdige Zauberfrucht einstufen?
  • Die Zwischenüberschrift "Geruch nach ranzigem Käse" ist zwar nicht gelogen, aber eine schöne überschrift für einen Schmähtext. Hier wurde eine schlechte Eigenschaft hervorgehoben um das Produkt in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
  • Unter der Überschrift "Krebshemmende Wirkung?" finden wir dann eine Aufzählung von verschiedenen Versuchen (die im Ausland durchgeführt worden sind) mit positiven Ergebnissen. Es werden sogar Quellen genannt, damit jeder sich davon überzeugen kann. Jetzt sollte man denken, dass diese Ergebniss unsere Wissenschaftler dazu anspornen, diese Erbenisse in unserem Land zum Wohle der Bevölkerung zu überprüfen. Doch der vorletzte Absatzt spricht eine andere Sprache. Hier heißt es:
    "Trotz dieser scheinbar großen Anzahl von Probanden sind die Ergebnisse mehr als fraglich. Es fehlen saubere klinische Studien. Die meisten Befunde beziehen sich auf Experimente am Tier. In vielen Publikationen wird zudem nicht einmal berichtet, welche Pflanzenteile zum Einsatz kamen."
    Mit sauberen (im Ausland arbeitet man also unsauber?) klinischen Studien sind bestimmt Studien gemeint, die nach unseren Maßstäben in deutschland oder der EU durchgeführt worden sind. Hier wird der Eindruck erweckt, dass die aufgezählten Studien nicht seriös wären. Was als nächstes kommt ist ein echter journalistischer Fehltritt. Experimente am Tier werden hier als wenig aussagekräftig dargestellt. Ich würde mich freuen, wenn man diese Aussage öffentlich unterschreiben würde. Dann hätte die Pharmaindustrie echte Probleme. Immerhin stellen sie einen der größten Arbeitgeber weltweit für Tierversuchslabore. Aber ich freue mich immer wieder, wenn jemand seine eigene Tätigkeit in Frage stellt.
  • Unter dem Titel "Gute Geschäfte" weist der Autor (Herr Seidemann) dieses Textes berechtigterweise auf die den nicht ganz lauteren Wettbewerb, der um die Frucht herum entstanden ist, hin. Es stimmt, dass es Anbieter gibt, die das Extrakt aus der besagten Frucht zu Wucherpreisen mit dem Versprechen von Wunderheilungen anbieten. Doch wer dann diesen Absatz liest schmunzelt über solch herrlich Vorverurteilungen, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren:
    "Obwohl Noni-Früchte und daraus hergestellte Produkte immer wieder als Universalheilmittel angepriesen werden, gehört vieles, was Noni nachgesagt wird, in das Reich der Legende. Es gibt zwar einige wissenschaftliche Arbeiten, diese bedürfen aber noch einer weiteren Abklärung in umfangreicheren Studien, bevor Noni-Erzeugnisse als Arzneimittel für bestimmte Krankheiten zugelassen werden könnten."
    Wie kann etwas in das Reich der Legende verbannen, wenn es noch nicht voll erforscht wurde (steht doch sogar weiter unten im Zitat). Sieht mir wieder nach einer schnellen Verurteilung aus. Da der Autor dieses Textes aus universitären Kreisen kommt, frage ich mich, wie man solche Aussage so stehen lassen kann? Besser wäre folgender Satz gewesen: "Es gibt keine Unviersal- und Wunderheilmittel. Und Anbieter, die Ihnen ein solches Produkt versprechen haben es eher auf Ihre Geldbörse als auf Ihre Heilung abgesehen. Bis es genauerer Ergebnisse zur wirksamkeit der Noni-Frucht gibt, sind Aussagen bezüglich der Wirksamkeit eher kritisch zu betrachten aber auch nicht im Voraus zu verneinen."
  • Die nächste Überschrift offenbart das die wahren Absichten der Verfassers. Unter dem Titel "Wissenschaft hinkt Marketing hinterher" wird der gesamte Text als einfache propagandistische Schähschrift entlarvt:
    "Hieraus wird deutlich, dass die Wissenschaft dem Marketing stark hinterher hinkt. Das muss sich schnellstmöglich ändern, um einen Missbrauch der Noni-Frucht als Arzneimittel, Nutraceutical oder Nahrungsergänzungsmittel zu verhindern."
    Es geht also nur darum zu verhindern, dass die Frucht als Heilmittel missbraucht wird? Ich dachte, sie soll noch weiter erforscht werden? Warum wird ihr denn jetzt jegliche heilende Wirkung abgesprochen? Es wäre halt nur halb so schlimm, wenn dieses Produkt nur als Saft und nicht als Heilmittel auf den deutschen Markt käme. Beweise Watson! Mehr kann man dazu nicht sagen.
Leider hatte ich schon beim lesen der Überschrift dieses Artikels kein gutes Gefühl in der Magengegend. Man kann ihn leider wieder mal als Beweis dafür ansehen, dass Geld einfach besser in gutes Marketing investiert ist, als in seriöse Forschung mit der man die Aussagen dieses Textes belegen könnte und damit zur Aufklärung beiträgt.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass die angeblich wirkungslose Frucht dem Arzneimittelgesetz (!) unterliegt.
"Da diese Produkte jedoch der Novel-Food-Verordnung beziehungsweise dem Arzneimittelgesetz unterliegen, müssten entsprechende Erzeugnisse zunächst ein Zulassungsverfahren durchlaufen und deren gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigt werden."
Wenn man als Akademiker so wenig leisten muss um einen wissenschaftlichen Text zu verfassen, dann schreibe ich mich morgen bei der Uni ein.

Nachtrag vom 10.11.2005:

Noni gibt es ja schon länger als Saft in Europa zu kaufen. Heute habe ich gelesen, warum Noni in der EU überhaupt angeboten werden darf. Die Bedingung für den Saftvertrieb in der EU war u.a. die Pasteurisierung. Die Frage ist, wie sich die Pasteurisierung auf die o.g. Inhaltsstoffe auswirkt. Es bleibt also alles wo es ist: im Dunkeln!